Geschichte
Ort des Geschehens

von Britta Wauer










Mitten in Berlin liegt ein kleiner Platz, beherrscht von einem großen Theater. Lange Zeit war das die übelste Gegend Berlins, ein „Verbrechereldorado“ – ver­rufen, aber mit Charakter. Hier wurde um große Ideen gerungen und um Leben und Tod gekämpft. Hier ging es um Politik und Weltanschauungen, aber auch um Kunst, Kino und Theater. Hier ist Ernst Lubitsch aufgewachsen, hat der „Hauptmann von Köpenick“ seine Uniform gekauft, hier hat „Teddy“ Thälmann Reden gehalten und Bertolt Brecht Randale erlebt. Fünfmal in hundert Jahren wurde die Fläche vor der Volksbühne umbenannt. Heute heißt sie Rosa-Luxemburg-Platz.

Einst Lagerplatz für Heu und Stroh vor den Toren Berlins, wird das Scheunenviertel um 1900 zum Zentrum der Ostjuden. In den engen Gassen leben Einwanderer, denen das Geld zur Weiterreise fehlt, aber auch jede Menge fragwürdige Existenzen.

Tür an Tür mit Synagogen, Talmudschulen und jüdischen Geschäften befinden sich Trödelläden, Kneipen und Puffs von Ganoven. Doch das Zentrum Berlins wächst immer näher an die Arme-Leute-Gegend heran – das Scheunenviertel wird abgerissen.

Auf der Brachfläche entsteht zuerst ein Theater, errichtet mit Spendengeldern der Arbeiter vom Prenzlauer Berg. Es wird die „Volksbühne“, das erste proletarische Theater überhaupt. „Bülowplatz“ heißt die Fläche jetzt. Ende der 20er Jahre wird sie radikal umgestaltet – nach Entwürfen von Hans Poelzig, dem Architekten der Neuen Sachlichkeit. Seine Wohnbauten sind Häuser ohne Ecken und Kanten, aber mit Zentralheizung und Tiefgarage – Ende der 20er Jahre eine Sensation. In einem der Häuser bringt er ein Kino unter: Das „Babylon“ mit fast 1300 Plätzen. Von der größten deutschen Kinoorgel sind alle beeindruckt, besonders von den Geräuschen, die man ihr entlocken kann: Pferdegetrappel, Autohupen, Feueralarm und Schüsse.

Entscheidend für das Schicksal des Platzes wird das Jahr 1926. Die Kommunistische Partei zieht in ein Bürogebäude am Platz. Eine unruhige Zeit beginnt. Bei Straßenschlachten zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten gibt es wieder und wieder Tote. Beim berühmten „Mord am Bülowplatz“ lassen im Sommer 1931 zwei Polizisten, im Volksmund „Schweinebacke“ und „Totenkopf“ genannt, ihr Leben.

Erst 1972 erhält er seinen heutigen Namen. Und es entsteht die Idee, die engen Straßen um den Rosa-Luxemburg-Platz abzureißen: sie sollen Plattenbauten weichen. Der Spreng­stoff ist schon verlegt, als eine DDR-Bürgerinitiative über Nacht das Dynamit aus den Häusern klaut. Dann fällt die Mauer und im Scheunenviertel beginnt neues Leben. Plötzlich zählen die schmalen Straßen und ihre alten Häuser zu den angesagtesten der Stadt. Künstler ziehen in das Viertel, Clubs, Modeläden, Galerien und Cafés folgen. Und der Rosa-Luxemburg-Platz, berüchtigt für seine Vergangenheit, wird berühmt für seine Avantgarde.

Britta Wauer, Grimme-Preisträgerin und Regisseurin des
Dokumentarfilms "Berlin – Ecke Volksbühne"
Britzka Film: www.britzka.de

 


Kunst


Kunst
Verein zur Förderung von
Kunst und Kultur am
Rosa-Luxemburg-Platz

von Lilian Engelmann










Der Verein zur Förderung von Kunst und Kultur am Rosa-Luxemburg-Platz e.V. wurde 2002 gegründet und ist eine private Initiative, deren Ziel eine aktive Partizipation an der Erweiterung des kulturellen Angebotes im städtischen Umfeld des Rosa-Luxemburg-Platzes ist. Schwerpunkt der Aktivitäten bildet die Organisation von Kunstprojekten im öffentlichen Raum. Ein besonderes Anliegen des Vereins ist es, dass alle Projekte, ausgehend von der urbanen und architektonischen Situation des Viertels, unterschiedliche Aspekte des städtischen Lebens vor Ort reflektieren.

Aus der sich während der Planungsphase verändernden Grundstückssituation heraus, entwickelte Roger Bundschuh gemeinsam mit Cosima von Bonin und der Immobiliengesellschaft ALBION mbH als Bauherrin das Wohn- und Geschäftshaus L40.

Für das erste durch den Verein initiierte Kunstprojekt im Jahr 2003 erarbeitete der Künstler Christian Philipp Müller eine Ausstellung, die das Werk des Architekten Hans Poelzig, die Zusammenarbeit mit seiner zweiten Frau Marlene Poelzig und die zeitgenössische Rezeption der Werke in den Mittelpunkt stellte. Das Umfeld des Rosa-Luxemburg-Platzes ist entscheidend durch die von Hans Poelzig in den Jahren zwischen 1927 und 1929 entstandene Bebauung geprägt. In seiner Ausstellung konzentrierte sich Christian Philipp Müller auf die aktuelle Bedeutung spezifischer historischer Stadtplanung, die Möglichkeiten der Inszenierung für ein zeitgenössisches Stadtverständnis, sowie auf Fragen nach der Stadt als alltäglichem kulturellem Handlungsraum. Im Anschluß wanderte die Ausstellung ins ehemalige IG-Farben-Haus in Frankfurt am Main – ebenfalls ein Poelzig Bau – und ins Architekturmuseum in Basel.

Am Ende der Weydingerstraße – auf einem Stück breiteren Bürgersteigs – haben die Künstler Michael Clegg und Martin Guttmann ein Monument aufgestellt, das sich aus Reproduktionen von fünf in Berlin befindlichen Denkmälern zusammensetzt: Das Monument for Historical Change. Fragments from the Basement of History. Jedes als Vorbild dienende Denkmal entstammt einer anderen historischen Epoche, so wurden u.a. Ausschnitte von Gerhard Marcks Rufer (1965, Straße des 17. Juni) und Fritz Cremers Spanienkämpferdenkmal (1967, Volkspark Friedrichshain) verwendet. Für Clegg & Guttmann ist das Monument for Historical Change eine soziale Skulptur. Durch das Fragmentieren, Zitieren und Collagieren als Verfahren der (avantgardistischen)

Für den Rosa-Luxemburg-Platz entwarf Michaela Meise 2006 eine Sitzbank, die zugleich auch eine autonome Skulptur ist. Ihre aus verschiedenfarbigen Travertinen sowie Granit gestaltete Bank besteht nicht nur aus sehr hochwertigen Materialien. Der unbehandelte Naturstein ist in Struktur und Farbe bereits ein sehr ornamentales Material mit großer haptischer Wirkung. Die verschiedenen Steinfarben (schwarz, beige, braun und gelb) und Steinarten (Travertin und Granit) rhythmisieren die Bank-Skulptur zudem durch Struktur, Farbe und Oberfläche.

 

Lilian Engelmann, Projektleiterin Verein zur Förderung von Kunst und Kultur am Rosa-Luxemburg-Platz e.V.
Mehr Informationen: www.rosa-luxemburg-platz.net


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